Später selbst mal Rentner

Später selbst mal Rentner

Sie zeichnen sich durch ihr erreichtes Lebensalter aus. Sie sind Mütter, Väter, Omas, Opas und manche von Ihnen sind schon Ur- oder sogar Ururgroßeltern. Die Rede ist, wie kann es anders sein, von unseren Rentnern. Nachdem sie ein mehr oder weniger bewegtes Berufsleben hinter sich brachten, genießen sie nun ein mehr oder weniger bewegtes und vielleicht auch bewegendes Rentnerdasein. Sie sind heute ein Teil, bei genauer Betrachtung aber vor allem der Ursprung der heutigen und womöglich auch der zukünftigen Ortsgemeinschaft. Obwohl von den Rentnern der jetzigen Generation nur noch sehr wenige Nachkommen ihrer Heimat treu bleiben und später in den Häusern ihrer Eltern wohnen werden.

Ungeachtet dessen genießen unsere Senioren schon seit vielen Jahren das Privileg, dass ihnen zu Ehren in der Adventszeit eine kleine Weihnachtsfeier ausgerichtet wird. Während die Kosten von der Gemeindekasse, unterstützt durch auch private Sponsoren, getragen werden, sieht sich der Heimatverein für die Durchführung verantwortlich.

Soweit ich das zurückverfolgen kann, waren immer Simone und Haiko Jakob diejenigen, die sich mit viel persönlichem Arrangement um die alten Leutchen kümmerten.

Auch dieses Jahr hatten sie sich viel Mühe beim Dekorieren und Einrichten des Vereinszimmers gegeben. Dem Anlass entsprechend wurde der Raum von einem bunt geschmückten Weihnachtsbaum geziert. Dazu die Tafeln fein säuberlich zum Kaffeetrinken gedeckt. Zur Unterstützung bei der Bewirtung kam diesmal noch Norbert Lang aus der Talmühle dazu. Er macht Hoffnung, die alljährliche Organisation dieses Festes zu übernehmen, wenn Jakobs später selbst mal Rentner sein werden.

Die Qualität des Kuchens war offensichtlich ganz ausgezeichnet. Meine mäkelige Natur gegenüber Rosinen hinderte mich leider daran, selbst davon zu kosten. Den anderen schmeckte es wunderbar. Daran besteht überhaupt kein Zweifel.

Nachdem sich also alle schön satt gegessen hatten, standen zunächst zwei Präsentationen von Haiko auf dem Programm, die unmittelbar mit der Geschichte Wickersdorfs in Zusammenhang standen. Die eine zeigte Bilder, die teilweise hundert und mehr Jahre alt waren und auf denen neben Dorfansichten auch sehr gut der damalige Zustand der Freien Schulgemeinde zu sehen war. Die andere gab in fantastischen Fotos das Innere des von Peter und Roni Krabiell gebauten Modells unserer alten Dorfschule wieder. Dieses wahre Wunderwerk an Detailtreue und Präzision in so brillanten Bildern zu sehen war eine grandiose Ablenkung von meinem knurrenden Magen. Und es erinnerte mich daran, zu welch ganz außergewöhnlichen Leistungen Menschen in meinem persönlichen Umfeld in der Lage sind.

Wozu ich selbst nicht in der Lage bin, ist, Bier ab einer bestimmten Bitternote zu trinken. Da dreht sich mir alles um und, obwohl ich gerne mal ein Bierchen trinke, wenn es zu bitter ist, ist es kein Genuss mehr, sondern eine Strafe. Deshalb war es fast schon Rettung aus höchster Not, als Haiko das mir vorerst angebotene Radeberger Pils durch ein Ur – Saalfelder ersetzte. Ich gebe ehrlich zu, wenn man zum Beispiel mal kein Hefeweißbier hat, kann man ein Ur – Saalfelder durchaus trinken.

Doch, wie es manchmal so ist, wartete noch eine Entschädigung auf mich. Das Süppchen, mit dem das Abendbrot eingeleitet wurde, war meinem Gaumen eine wahre Freude. Es fehlen mir die Worte, diese Köstlichkeit angemessen zu loben. Als der erste Löffel davon über meine Zunge floss, waren bitteres Bier und Rosinen im Kuchen sofort vergessen. Nach der langen Zeit des Darbens ein wahres Labsal für Körper und Geist. Das ich auch voll auskostete, indem ich mir stehenden Fußes einen Nachschlag holte. Das nachfolgende kalte und warme Abendessen war ebenfalls sehr schmackhaft und nahrhaft. Ich kann also wahrhaft nichts anderes behaupten, als dass die Versorgungslage auf unserer Rentnerweihnachtsfeier in keiner Weise etwas zu wünschen übrig ließ.

Während der Präsentation über die alte Dorfschule kam übrigens auch zur Sprache, dass sich Anfang der 1970-iger Jahre im Keller des Gebäudes die jungen Alten Germanen einen Proberaum eingerichtet hatten. Zur Einrichtung hatte auch eine Betonschicht gehört, die den holprigen Steinfußboden ein wenig begradigen sollte. Und wie alte Profis hatten die damals jungen Leute in diesem Beton in einer Bierflasche eine Fundamentschrift hinterlassen.

Nachdem die alte Schule 1974 abgebrannt war, errichtete die Familie meiner großen Schwester Ute 1979 auf dem Grundstück ihr Wohnhaus. Dabei wurde auch ich gelegentlich zu Hilfsarbeiten verpflichtet und fand bei einer dieser Gelegenheiten tatsächlich die Bierflasche mitsamt der Fundamentschrift wieder.
Wie es nun der dumme Zufall manchmal so will, saß Kuno Rosenbusch, der damals die Fundamentschrift mit unterzeichnet hatte, zu unserer Rentnerfeier mit mir an einem Tisch. So kam mir die Idee, dass ich ihm den alten, ziemlich verrotteten Zettel ja mal zeigen könnte. Schließlich entwickelte sich daraus der Plan, dass ich das Schriftstück, in dem auch von einem (natürlich längst verjährten) Diebstahl die Rede ist, der versammelten Rentnerriege einmal vorlesen könnte. Was ich dann auch tat. Und wie immer man das alles bewerten möge, es zeugt von einer längst vergangenen Episode, die das Fundament dafür bot, dass die Alten Germanen noch heute als Rentnerband für ihr stets dankbares Publikum spielen können.

Heimatverein Wickersdorf                                                            Eddy Bleyer

 

Dezember 2022

Wir danken den Sponsoren: Firma Reiner Rosenbusch, Firma Schier – Optik, Dr. Ludwig Patzer, Miri AG

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