Was lange währt

Was lange währt

Diese Weisheit trifft tatsächlich den Nagel auf den Kopf. Das kann ich jetzt aus eigener Erfahrung bestätigen.

Ob sie sich auf alle Verrichtungen anwenden lässt, die ich in meinem Leben zu erledigen hatte, ist noch nicht ganz bewiesen. Für meinen Job als Hobbybäcker für den Heimatverein Wickersdorf hat sie sich letzthin ganz fulminant bewahrheitet.

Dieser geht ja auf eine Zeit zurück, als es in Wickersdorf noch gar keinen Heimat-verein gab. Als hierzulande noch der real existierende Sozialismus vorherrschte und gesellschaftliche Arbeit vom Staat mit allen möglichen Mitteln gefördert wurde, begannen Haiko Jakob und ich damit, zu besonderen Anlässen und Feierlichkeiten für die Bürger von Wido und auch für ihre Gäste Brot zu backen. Damals noch in unserem alten Backhaus, welches in bestimmten Belangen weitaus besser funktionierte, als jetzt das neue.

Wie viele Jahre das jetzt wohl her sein mag? 40 oder 45 … wer weiß, ob das reicht. Wir waren damals noch jung und völlig unverdorben. Wie viele verschiedene Methoden und Arbeitsweisen wir in all den Jahren ausprobierten, um das Ergebnis unserer Mühen immer wieder zu verbessern, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen.

Unsere Brote konnte man immer essen. Sie schmeckten, wie es sich für Brot aus einem Holzbackofen gehört, richtig gut und lecker. Besonders, wenn man Gelegenheit hatte, sie ganz frisch zu essen. Doch irgendwie und trotz alledem, der ganz große Wurf ist uns nie gelungen. Wenn auch nur kleine, aber dennoch spürbare Unzulänglichkeiten, hafteten unseren Broten eigentlich regelmäßig an. Meistens, so ist meine persönliche Meinung, war es die Farbe, die stets ein paar Nuancen zu dunkel ausfiel. Mein Freund Haiko lässt keinen Zweifel daran, dass Schwarzbrot mit einer leichten Bitternote a la angebrannt, ihm besonders gut schmeckt. Doch Stimmen aus der Bevölkerung sagen mir immer wieder, dass sehr viele unserer Bürger ein nicht ganz so scharf gebackenes Brot bevorzugen. Diese Meinung deckt sich übrigens auffällig mit meinem eigenen Geschmack. Deshalb versuche ich schon lange, die Qualität unseres Brotes mal in dieser Richtung zu beeinflussen. Was mir nun am 09. April bei unserer letzten Backaktion ganz herausragend gelang. Die Farbe schön goldbraun, die Kruste herrlich knusprig, aber nicht zu dick und hart. Dazu kam, dass uns an diesem Tag der Teig richtig kräftig aufgegangen und so auch die Form der Brote sehr schön hoch ausgefallen war. Von den Befürwortern eines solchen Brotes schlug mir vielfach regelrechte Begeisterung entgegen. Und ich muss an dieser Stelle bekennen, dass ich die Begeisterung all dieser Genießer wirklich nur teilen kann. Ich musste es an diesem Abend öfters als einmal zugeben, dass es uns nach so vielen Jahren nun endlich gelungen war, das für meine Begriffe perfekte Brot zu backen.

Womit ich auch endlich zur Sprache bringen will, warum an diesem Tag überhaupt gebacken wurde.

Der Anlass war ein Vortrag von Dr. Knopf über die alte Dorfschule in Wickersdorf. Wie früher schon, macht sich so ein frisches Backhausbrot bei solchen Veranstaltungen als kleines Schmankerl sehr gut.

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Mit seinem Thema hatte Uli natürlich einen empfindsamen Nerv unserer Dorfbevölkerung getroffen. Genau weiß ich es nicht, aber ich schätze mal bis etwa Jahrgang 1965 lernten die Kinder aus Wickersdorf, später auch die der umliegenden Dörfer, das ehrwürdige Gemäuer als Schüler kennen. Die heutige Rentnerriege des Ortes verbindet also sicherlich sehr viele persönliche Erinnerungen mit diesem Gebäude. Und Uli gelang es wirklich sehr gut, die wechselhafte Geschichte des Hauses im Laufe der Jahrzehnte interessant und detailliert darzustellen. Nachdem es im Jahr 1975 einem Feuer zum Opfer fiel, steht jetzt auf dem Grundstück das Wohnhaus der Familie Taubert.

Doch das Gebäude, so wie wir Alten es als Schule in Erinnerung haben, gibt es nun auch wieder. Und zwar als Modell.

Peter Krabiell, der als Sohn des Lehrers Hans Krabiell damals sogar im Obergeschoss des Hauses wohnte, hat es mit Hilfe seiner Frau Veronika nachgebaut. In einer Detailtreue, wie man sie sich kaum vorstellen kann. Die meisten Modelle von Bauwerken geben ja lediglich die äußere Ansicht wieder. Nicht so bei unserer Schule. Jeder einzelne Raum, die beiden Klassenzimmer, Flure, Treppen und auch die Wohnräume der Familie Krabiell sind so nachgebaut, wie sie damals tatsächlich aussahen. Selbst die Einrichtung entspricht haargenau dem früheren Vorbild. Etwas so Perfektes (mit Ausnahme unseres Brotes) habe ich in meinem Leben noch nicht zu Gesicht bekommen.

Nachdem Haiko Jakob mit einer Fotopräsentation Ulis Ausführungen ergänzt und die Gäste mit ein paar Impressionen über das Modell darauf vorbereitet hatte, wurde schließlich der Durchgang dazu geöffnet. Ich schäme mich nicht zu sagen, dass die Begeisterung darüber, die über unser Brot noch um ein Vielfaches übertraf. Ich gebe auch unumwunden zu, mit gutem Recht.

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Um dem Abend zu einem musikalisch untermalten Abschluss zu verhelfen, hatten die Alten Germanen – ebenfalls im Hinterzimmer des Vereinshauses – ihre Anlage aufgebaut. Nachdem sich der Trubel um das Schulmodell halbwegs gelegt und es wieder ein Stück zur Seite gerückt war, gaben die 4 Hobbymusiker noch eine kleine Kostprobe ihres Könnens zum Besten.

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Während die ältesten der Gäste daran weniger Interesse zeigten und schließlich nach Hause gingen, bliebe doch einige jüngeren Liga da, um sich von unseren Rocksenioren noch ein wenig beschallen zu lassen. Das Ganze brachte viel Spaß für beide Seiten und gipfelte zu später Stunde sogar noch in einer fetzigen Jam Session zwischen Alt- und einigen anwesenden Jungmusikern. Eine großartige Sache, die man ruhig öfters mal machen könnte.

 

Heimatverein Wickersdorf e.V.                                                               Eddy Bleyer

April 2022

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