Unbeschadet und guter Dinge

Unbeschadet und guter Dinge

Geboren wurde das Projekt der Sonntagswanderungen aus der Lust Wolfram Kahles, den Grenzverlauf der Wickersdorfer Flur einmal abzuwandern. Diese bekam er ganz spontan im Verlauf eines Vortrages von Dr. Uli Knopf, der sich ganz konkret mit dieser Grenze beschäftigte. Uli hatte das damals gleichfalls als Auftrag angesehen und sich darübergemacht, Wolframs Lust zu stillen. Er plante Strecken, die an einem Nachmittag gut zu schaffen waren und zog dann jeweils mit einem interessierten Trüppchen seines Weges durch Busch und Tann.

Nach vier Wanderungen 2018 und einer 2019 hatten wir das eigentliche Ziel erreicht und die Grenze der Gemarkung Wickersdorf einmal komplett umrundet und zusätzlich noch den Eingang unserer Goldhöhle grundhaft erneuert und wieder zugänglich gemacht.

Es stellte sich aber heraus, dass ein einmal interessiertes Trüppchen, bei dem man übrigens mit einigen Ausnahmen immer wieder die selben Gesichter zu sehen bekam, sein Interesse nicht so ohne weiteres wieder verliert. So wurde bald klar, dass, obwohl die Aufgabe als erfüllt galt und normalerweise hätte abgehakt werden können, unser interessiertes Trüppchen weiter wandern wollte. Eine neue Aufgabe für Uli, was ein Wandergroßmeister wie er allerdings völlig gelassen zur Kenntnis nimmt. Er organisierte also weiter mit der Auflage, dass man zum Erreichen der neuen Wanderstrecken eine kurze Autofahrt in Kauf nehmen muss. Womit man, wie sich nun mittlerweile herausstellt, ein wahrhaft interessiertes Trüppchen in überhaupt keiner Weise irgendwie abschrecken kann. Was sich insbesondere darin zeigt, dass die Teilnehmerzahlen bei den letzten beiden Wanderungen doch sehr stabil geblieben sind.

Was wirklich neu ist, als wir uns am 22. September wieder auf dem Dreieck einfinden, ist die Anwesenheit einiger noch ziemlich kleiner Kinder. Diese gehören zu zwei jungen Familien, die am selben Abend noch mit Christina Kahle Geburtstag feiern wollen. Ich persönlich kenne die Leute nicht, aber die Kids sind gut drauf und am Ende wird man sehen, wie gut sie den von Uli geplanten Rundkurs überstehen werden.

Mit einer kleinen Verspätung, verursacht von einer der beiden Familien, besteigen wir schließlich unsere Autos, mit denen wir diesmal Eyba erreichen wollen. Die Parkmöglichkeiten im Ort sind keineswegs so zahlreich wie wir ursprünglich erwartet hatten. Trotzdem gelingt es uns, die Vielzahl an Karossen, mit denen wir unterwegs sind, in der Nähe des Schlosses abzustellen.

Das Eybaer Schloss ist mit der Entstehung des Ortes Wickersdorf sehr eng verstrickt, wie Uli uns belehrt. Seine Ausführungen über das respektable Gebäude und seine Bedeutung in der Vergangenheit und der Gegenwart gehen aber sehr viel weiter. Eine Einladung des Hausherrn, uns das Ganze auch einmal von innen anzusehen, müssen wir aus Zeitgründen leider ablehnen.

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Quer durch die Außenanlage des Landgasthofes „Zum Egon“, der an solchen Sonntagnachmittagen offensichtlich ebenfalls ein sehr beliebtes Ausflugsziel zu sein scheint, setzen wir unseren Weg zum Ortsrand von Eyba fort. Uli entschuldigt sich höflich beim Wirt, als wir uns mitten durch die Reihen seiner Gäste drängen. Den schlitzohrig geforderten Preis von 15 € pro Person bleiben wir dem dann allerdings doch schuldig, kommen aber dennoch unbeschadet und guter Dinge davon.

Nur wenige Meter hinter dem Ortsausgang quillt förmlich ein ansehnlicher Fels aus dem Boden. Bewachsen von einer Hagebuttenhecke und ausgestattet mit einer Sitzkombination stellt er einen recht markanten Punkt in der sonst flachen Landschaft dar. Eine offensichtlich von Menschenhand angelegte Blumenecke am unteren Rand ziert das auffällige Gebilde zusätzlich. Von der Größe her bietet die Formation für eine Menschenmenge wie uns ausreichend Platz, um darauf bequem stehen zu können. Und den Blick ins Land zu genießen.

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Unser Aufenthalt hier ist natürlich zeitlich begrenzt, denn unser Rundgang hat ja eben erst begonnen. Wir kehren also zum Weg zurück, der uns vorerst zur Gartenkuppe führen soll. Nicht ohne eine kurze Pause allerdings, denn von hier aus hat man ebenfalls eine ganz wunderbare Aussicht. Nach Westen hin kann man deutlich Teile von Arnsgereuth und den darüber stehenden Funkturm erkennen.

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Fast genau in entgegengesetzter Richtung sieht man Knobelsdorf auf einem Plateau an der Seite eines Berges liegen.

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Weniger schön anzusehen sind die Waldränder, die die hier oben liegenden Felder umsäumen. Sie machen dem grünen Herzen Deutschlands, als das unser Bundesland ja gemeinhin bezeichnet wird, absolut keine Ehre. Denn das Grün, das wir noch vor wenigen Jahren hier hatten, verwandelt sich mehr und mehr in triste und dürre Baumgerippe. Kein gutes Zeichen, wo immer auch die Ursache liegen mag.

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Gottlob sind allerdings noch nicht wirklich alle Bäume betroffen und so kommen wir doch auch noch an grünenden Stellen vorbei, bevor wir die Gartenkuppe erreichen. Ein Transformatorenhaus kurz vorher lockert die Farbgebung des Umfeldes auf ganz andere Weise auf.

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Die Funkstation auf der Gartenkuppe diente zu DDR – Zeiten der Informationsübermittlung zwischen den regionalen und ihren übergeordneten Regierungsstellen und Parteileitungen. Da das Vertrauen der Herrschenden in ihr Volk damals nicht allzu groß war, war das Gebiet abgesperrt, um Ausfälle durch unberechtigte Zugriffe zu vermeiden. Ein hoher Drahtzaun zieht sich allerdings auch heute noch um das Gebäude, das zwischenzeitlich größtenteils unbemannt arbeitet. Sein Aufgabengebiet dient jetzt aber wohl eher kommerziellen Zwecken.

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Nachdem Uli auch darüber viel Lehrreiches berichtet hat, setzen wir nun unseren Weg fort. An einer günstigen Stelle kann man durch die hohen Bäume hindurch bei genauem Hinsehen einige Häuser von Saalfeld erkennen.

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Es geht recht steil bergab und der Pfad ist nicht sonderlich komfortabel gestaltet. Doch frei heraus, selbst die Kleinsten meistern das Gelände ganz vortrefflich. Das Gekraxel scheint ihnen sogar Spaß zu machen. Allerdings zieht sich der Tross bei dieser Aktion doch ein wenig auseinander. So dass, es lässt sich an dieser Stelle nicht vermeiden, die Vorhut ein paar Augenblicke auf die Nachzügler warten muss.

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Von dem Punkt, den wir eben erreicht haben, kann man sie durchs Unterholz bereits sehen. Die Mittelweghütte, unser nächstes Zwischenziel. Gleich daneben, ein rotes, parkendes Auto.

Erst als wir schon relativ nah herankommen, sehe ich auf einer Bank, wenige Meter davon entfernt, Willy Otto sitzen. Einen richtigen Reim kann ich mir darauf aber noch immer nicht machen. Im gleichen Augenblick werde ich allerdings von Uli abgelenkt, der gerade über die, einzeln auf dem geräumigen Vorplatz stehende, junge Blaue Stechfichte referiert. Sie steht da nicht nur so von ungefähr, sondern ganz gezielt, wie Uli und eine neben der Fichte angebrachte Informationsschrift uns belehren.

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Die Überraschung ist perfekt, als wir schließlich direkt an der Hütte ankommen. Ein Blockbauwerk, ähnlich unserem Auerhahnshäuschen – nur etwas größer und mit einer Terrasse versehen. Auf einem Tisch davor stehen ein Zwiebelkuchen und zwei Schüsseln mit Süßigkeiten.

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In der Hütte mehrere andere Kuchen, Fettbrote, Kaffee und Tee und auf der Terrasse findet sich ein Kasten mit verschiedenen Kaltgetränken. Wer‘s erfunden hat? Bestimmt nicht die Schweizer. Gebracht und aufgebaut haben es aber der Willy und die Gerhild Knopf. Mit dem roten VW. Kaffee und Kuchen zum Ausklang hatten uns die Wanderfreunde aus der Talmühle bereits zweimal präsentiert. Einen Imbiss zwischendurch hat es auf unseren Wanderungen bisher noch nicht gegeben. Das Menü ist so reichhaltig, dass wir es freilich nicht schaffen, alles zu verzehren, obwohl sich sicherlich alle die größte Mühe geben. Was uns nicht hindern soll, den Erfindern auf diesem Weg noch einmal unseren herzlichen Dank auszudrücken.

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Auf Grund dieser Situation dauert der Aufenthalt an der Mittelweghütte natürlich etwas länger. Was von Uli selbstverständlich bereits eingeplant war. Doch irgendwann müssen wir natürlich weiter. Ein gutes Stück Weges liegt nämlich noch vor uns. Was nicht gleichsam bedeutet, dass der Weg, der noch vor uns liegt, auch gut ist.

Wie Uli später zugibt, haben wir verpasst, wie der Blauen Stechfichte, als Abschiedsgeschenk sozusagen, noch 10 Liter Wasser verabreicht wurden. Als kleine Hilfestellung durch die trocknen Zeiten. Ausgeführt von Willy und Gerhild. Verursacht durch unsere Abwesenheit konnte der Vollzug, zumindest durch mich nicht fotografisch dokumentiert werden. Hoffen wir, dass der kühle Guss dem Bäumchen hilft, einem Schicksal, wie viele seiner Artgenossen es derzeit erleiden, zu entgehen.

Unsereiner kämpft sich währenddessen bereits Richtung talwärts. Entschieden steiler als beim letzten Abstieg und bar jeden Weges noch Steges. Konsequent querfeldein und über Stock und Stein (dieser Satz könnte glatt von Goethe sein).

Unter „Wandern“ im herkömmlichen Sinne muss man sich also durchaus etwas anderes vorstellen.

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Aber Uli hatte uns gewarnt. Denjenigen, die nicht absolut stabil zu Fuß sind, hatte er empfohlen, den Zufahrtsweg bis hin zur Steigerstraße zu gehen und dort auf den Rest zu warten. Dieser Empfehlung war allerdings niemand gefolgt. Doch auch diesmal ist das Glück uns hold und alle kommen nach schier endlos scheinenden Metern bergab auf der lang ersehnten Straße an.

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Zunächst wenden wir uns, nachdem es die Letzten geschafft haben, wieder nach unten. Wir brauchen vielleicht ein- oder zweihundert Meter bis zu einer Stelle, von wo man durch einen etwa fünfzig Meter schmalen Waldstreifen die direkt angrenzenden Häuser der Steigersiedlung sehen kann.  Wir haben sozusagen das südliche Grenzgebiet von Saalfeld erreicht.

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Mit knappen Worten beschreibt Uli, welcher Anblick sich unseren Augen hier bietet und schließt dann mit den tröstenden Worten: „So Leute, von hier aus müssen wir nur noch die Straße hinauf bei recht bequemer Steigung nach Eyba marschieren. Dann haben wir es für heute geschafft.

Zugegeben, die Steigung ist in der Tat längst nicht so steil wie unser Abstieg durch den Wald. Andererseits, dass man dieses Stück Weg „den Steiger“ nennt, sehe ich als durchaus begründet an. Ich kann mich erinnern, vor vielen, vielen Jahren, als ich noch jung war, einmal mit dem Fahrrad hier hoch gefahren zu sein. Also da musste ich die Arschbacken schon ordentlich zusammenklemmen.

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Dabei ist es eindeutig erwiesen, die Spuren – sie haben sich metertief in den Waldboden gegraben – kann Uli uns heute noch zeigen, dass über Jahrhunderte Handelsleute auf Pferde- und Ochsenkarren tonnenweise Waren hier hinauf und auch hinunter schafften. Keine Ahnung, obwohl es dafür wohl Vorkehrungen gab, was passierte, wenn sie sich dabei womöglich doch einmal auf halbem Wege begegneten. Diese Menschen müssen Leistungen vollbracht haben, die sich unserem Vorstellungsvermögen völlig entziehen.

„Halt!“ Ein kurzer Ruf von weiter hinten unterbricht unseren Marsch. „Hier geht es jemandem nicht gut“, ergänzt der Rufer. Wir sehen das Malheur, als wir uns umdrehen. Eine ältere Dame, offensichtlich die Mutter eines der beiden jungen Ehepaare, musste sich hinlegen. Ihr war der Weg wohl doch zu steil. Wir halten kurz inne, dann wird entschieden, dass Wolfram ein Auto aus Eyba herbringt, um die Geschwächte von hier abzuholen. Für die anderen bleiben noch ein paar hundert Meter, bis sie Eyba wieder erreichen. Ein Teil der Truppe will noch bei Egon Einkehr halten. Der Rest tritt, des erreichten Zieles froh, die Heimreise an.

Heimatverein Wickersdorf e.V.                                                   Eddy Bleyer

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